Spätlese Reiter Schloss Johannisberg
Die Mönche von Johannisberg
die taten froh ihr Winzerwerk
und pflegten ihre Rebe,
bis sich vor üwwer hunnert Jahr
als es just Zeit zum Lese war
ein Wunder hat begebe.
Laut Regel mußt‘ ein Reitersmann
beim Fürstabt Fulda fragen an,
ob er es tät erlauben,
daß fern im Rheingau der Konvent
der Mönche zeitig lesen könnt
die ersten reifen Trauben.
„Los Maddin, dummel Dich -’s is Zeit,
daß ein Kurier nach Fulda reit‘
die Zeit drängt -’s is kei Späßie!
Der Prior seets – mit Seechenssprüch,
komm, alleh Maddin dummel Dich
un hock Dich uff Dei Rößje!
Reit schee besonne Tritt vor Tritt,
guck nach de schlechte Welbsleit nit,
die gern mit ihrn Maniere,
so junge Reitersleut wie Dich
mit allerlei Verführungsschlich
zum Uffenthalt verführe!
Bet aach emol geleechentlich,
jetz mach Dich perr! Gott seechen Dich!“
Vier Woche ginge schon ins Land,
die Mönch warn außer Rand un Band …
kaan Reiter war zu sehe.
Doch – ohne diesen Brief von Fuld
mußt mer sich fasse in Geduld,
durft in de Herbst nit gehe.
Die Mönche raste her un hie,
un manche lage uff de Knie.
Zum liewe Herrgott flehte sie:
„Mach, daß die Ernt‘- Del best Geschenk
krieht nit durch Buwestreich die Kränk! Die Traube faule uff dem Rapp
un falle aach am End noch ab,
die Brüh‘ am End leeft uff die Erd,
der ganze Wein is nix mehr wert …
Un, wie se noch so lamendiern
hört mer en Gäilche gallobbiern,
un – es kimmt mit sei’m Babier
endlich widder der Kurier.
I’Nix wie naus mit Scher’n un Butte.“
Aj – wie fliehn do Röck un Kutte
Kaaner dacht an Stroof un Kram!
„Nix wie naus! Den Herbst holt haam!“
Is wird der konzentrierte Saft
hordich in die Faß geschafft.
Dorchgegorn un abgestoche
un, wie sich’s gehört nach Woche
von dem Mönchskonvent geprobt:
Uj – was hat mer den gelobt!“
„So en Wein“ so seet der Abt ,
„hawwe mer noch nie gehabt.“
„Was en Wein!“ der Prior seet
und die Aache er verdreht.
Korz un gut! ’s ward offebar
un bald jedem Weinfreund klar …
Mißgeschick ward hier zum Glück,
daß der Reiter spät zurück …
Es sprach der Abt: „Was uns geschenkt-
nicht Zufall war’s – Gott hat’s gelenkt.
Wir wollen’s weitergeben.
So kommt’s, daß heut noch seit der Zeit
die Spätlese als Kostbarkeit
des Kenners Herz und Zung‘ erfreut,
verschönt uns unser Leben.
Gedicht von Hedwig Witte